Unser Körper – ein ausgeklügeltes System

Durch Signale wie Hunger, Appetit und Sättigung teilt er uns mit, wann er was benötigt. Unser Problem ist, dass wir verlernt haben auf ihn zu hören und unser Essen intuitiv zu gestalten.

Beim intuitiven Essverhalten geht es darum, wieder zu lernen mit unserem Körper statt gegen unseren Körper zu arbeiten und Signale wie Hunger und Sättigung wahrzunehmen.

So stehen wir im Supermarkt tagtäglich einer Vielzahl von Nahrungsmitteln gegenüber. Eigentlich ein wahrer Luxus! Nur sind wir mit der Komplexität überfordert. Zudem erzählt uns ständig Jemand, was gut und was schlecht für uns ist. Nicht zuletzt wir Ernährungsberater.

Essen ist mehr als die Zusammensetzung von Nährstoffen

Während meines Studiums der Ernährungswissenschaften bin ich der Frage nachgegangen, wofür und in welchen Mengen unser Körper Nährstoffe, wie z.B. Vitamine, benötigt, um beste Arbeit leisten zu können. Denn Essen ist für unseren Körper das, was das Benzin für’s Auto ist. Der Treibstoff, die Energie, die wir benötigen, damit unser Körper schafft, was wir ihm täglich abverlangen. Und noch mehr! Denn das, womit wir unseren Körper versorgen, verwendet er als Bausteine. Diese Bausteine wie Proteine, Fette, Kohlenhydrate, Mineralstoffe und Vitamine nutzt er, um daraus Zellen, wie z.B. Blutkörperchen herzustellen. Unsere roten Blutkörperchen, die Erythrozyten, haben die Aufgabe Sauerstoff zu den Zellen zu transportieren. Sie bestehen zu 80% aus einem Protein namens Hämoglobin. Ein Proteinkomplex, welcher Eisen enthält. Jede Zelle, je nach Aufbau und Funktion, benötigt unterschiedliche Bausteine. Fehlt ein Baustein, wie z.B. Eisen, kann das Produkt nicht oder nicht optimal hergestellt werden. Diese Zusammenhänge sind hochkomplex.

Der Fluch der „gesunden“ und „ungesunden“ Nahrungsmittel

„Iss mehr Gemüse. Das ist gesund.“ Iss keine Burger! Das ist ungesund! Süßigkeiten sind ungesund, iss lieber gesundes Obst! Solche Sätze kennen wir nur zu gut. Und ganz ehrlich…auch ich als Ernährungsberaterin kann sie nicht mehr hören. Gesund wird mit Zwang und Bevormundung assoziiert und leider in den seltensten Fällen mit einem positiven Verzehrsanreiz. Schön wären doch Sätze wie „Ich esse Obst, weil es bunt, vielfältig und besonders lecker ist. Und nicht „Weil es gesund ist…“.

In meiner Ernährungsberatung frage ich meine Patienten „Was bedeutet denn für Sie ein „gesundes“ Essen?“ Dann kommen Antworten wie: frische Lebensmittel, Vielfalt, selber zubereitet, bewusstes Essen, ich nehme mir Zeit und…es schmeckt mir, tut mir gut und macht mich satt.

Die Gedanken sind also da, man muss sie nur heraus kitzeln.

Du isst was du bist

Ein Mann meinte einmal zu mir. „Oh Sie sind Ernährungsberaterin? Ja, von Essen habe ich leider keine Ahnung.“ „Nicht?“ fragte ich daraufhin. „Aber Sie tun es doch tagtäglich und schon Ihr Leben lang!?“

Tatsächlich erlernen wir unser Essverhalten. Kinder reproduzieren die Esskultur der Eltern. Wenn die Eltern sich vielfältig und mit Genuss ernähren, tun es die Kinder auch. Wichtig ist es, den Kindern Essen immer wieder anzubieten, ein „Mag ich nicht“ zu respektieren und sie am Prozess der Essenszubereitung teilhaben zu lassen. Essen ist biographisch gewachsen. Jeder hat ein Lieblingsessen und bestimmte Speisen erinnern uns an unsere Kindheit. So wie mir immer das Wasser im Mund zusammenläuft, wenn ich an die Eissplittertorte meiner Mutter denke.

In eine Esskultur  und bestimmte soziokulturellen Rahmenbedingungen werden wir hineingeboren. Wir würden (noch) nicht auf die Idee kommen unseren Freunden Insektenlarven zum Frühstück anzubieten. Diese Kultur wird zum Bestandteil unseres Essverhaltens und unserer Identität. Sie erweitert sich vielleicht, wenn wir durch andere Länder reisen und andere Kulturen kennenlernen. Auch unsere soziale Lebenslage beeinflusst was wir essen. So wählen wir als alleinlebender Student sicherlich andere Nahrungsmittel, als wenn wir eine kleine Familie zu ernähren haben. „Du bist nicht nur was du isst“  sondern “ Du isst auch was du bist“.

Mein Motto lautet: „Gesundes und ungesundes Essen gibt es nicht.

Die Dosis macht das Gift!“ Denn wenn ich mich ausschließlich von Äpfeln ernähre, ist dies genauso „ungesund“, als wenn ich mich nur von Pommes ernähren würde. Das „ungesunde“ ist die Einseitigkeit. Und das bei der Vielzahl unseres Lebensmittelangebotes. Ein wahres Paradoxon.

Bedingt durch das immer komplexer werdende Angebot an Nahrungsmitteln, kombiniert mit einer Vielzahl von Ernährungsmythen, steigt unsere Unsicherheit bei der täglichen Nahrungsmittelauswahl. Deshalb erfreuen sich viele an Regeln und Vorgaben. Es gibt die unterschiedlichsten Listen für „verbotene“ und „erlaubte“ Nahrungsmittel. Warum fällt es uns nur so schwer, uns an diese Maßregeln zu halten?

Mehr Flexibilität statt rigider Regeln

Essen darf zu uns und unserem Alltag passen. Das richtige Maß finden ist dann schon schwieriger. Eigentlich müssten wir uns „nur“ auf den Regulationsmechanismen unseres Körpers in Form von Hunger und Sättigung verlassen. Doch dies ist gar nicht so einfach. Zum einen essen wir häufig unbewusst. Nebenbei. Beim Fernsehen, am PC, auf der Arbeit, schnell zwischendurch. Des Weiteren übernimmt Essen vielfältige Funktionen. Die Heißhungerattacke bei Stress, das Frustessen bei Liebeskummer oder das Kauen bei Langeweile. Wichtig ist, dass wir uns diese Prozesse bewusst machen und ggf. Handlungsalternativen finden.

In der Ernährungsberatung liegt der Fokus meist auf einer Förderung protektiver Faktoren, wie z.B. der ausreichende Zufuhr von Vitaminen oder eines als „ideal“ angesehenen Körpergewichtes. Nur bleibt häufig unbeachtet, dass die Reduzierung eines sog. Risikofaktors, wie z.B. Übergewicht nicht zwangsläufig zu einer Verschiebung Richtung Gesundheit und Wohlbefinden führt. Es kann sogar das Gegenteil der Fall sein, da Essen mehrere Funktionen und damit Bedeutungen hat.

Essen ist eben mehr, wie die Zusammensetzung von Nährstoffen. Zum Glück! Denn was wäre die Welt ohne die Kaffeerunde mit Eissplittertorte bei meiner Mutter. Wir müssen „nur“ lernen wieder auf unseren Körper zu vertrauen und ihm und uns die Momente zum Essen und Genießen zu können. Und dies geht nicht von heute auf morgen, sondern ist ein Prozess, für welchen wir Geduld brauchen .

Tipps, wie Sie wieder intuitiv und mit Genuss essen

  • Haben Sie Mut zur Vielfalt ?! Probieren Sie öfter’s mal Ihnen noch unbekannte Nahrungsmittel aus – mich inspirieren z.B. Saisonkalender oder auch das vielfältige Angebot einer Käsetheke oder eines Obsthofes.
  • Kaufen Sie lieber weniger, aber dafür qualitativ hochwertige Nahrungsmittel?!
  • Gehen Sie mit einem Einkaufzettel einkaufen?!
  • Kaufen Sie Süßigkeiten und Knabberartikel nicht auf Vorrat, sondern nur dann, wenn Sie ein bewusstes Verlangen danach haben?!
  • Vermeiden Sie es hungrig einkaufen zu gehen?!
  • Essen Sie bewusst und in der Küche oder im Esszimmer – ohne Fernseher und Co.?!
  • Richten Sie den Essensplatz gemütlich her, so dass Sie dort gerne essen und sich entspannen und wohlfühlen können?!
  • Nehmen Sie sich Zeit zum Essen?! Machen Sie ein Spiel daraus: Wer zuletzt fertig ist, hat gewonnen.
  • Haben Sie den Mut zu einem flexiblen Essverhalten statt rigider Kontrolle?!
  • Gönnen Sie sich Schokolade, wenn Ihnen danach ist?!
  • Kaufen Sie sich eine hochwertige Tafel Schokolade und genießen Sie diese z.B. mit einer leckeren Tasse Kaffee oder Tee?!
  • Füllen Sie Knabbereien, wie Chips, in eine kleine Schale ab?!
  • Nehmen Sie einen kleinen Teller für das Stück Kuchen und einen großen Teller für den Salat?!
  • Würzen Sie Ihre Speisen mit schmackhaftem (Kräuter)salz und aromatischen Gewürzen?! Hochwertiger, frisch gemahlener Pfeffer schmeckt z.B. viel aromatischer als fertig gemahlener Pfeffer.